HOCH

Burg Kirkel - Ausgrabungen 1995 und 1996


Text und Fotos: Christel Bernard, Februar 1997


Die Durchführung des Projektes erfolgt in Kooperation mit dem Staatlichen Konservatoramt des Saarlandes.

Der folgende Bericht ist in der Zeitschrift "Saarpfalz", 1997 Heft 1, veröffentlicht worden.

Inhalt:


Abb.1
Abb. 1: Blick auf den untersuchten Raum des Palas. Im Vordergrund die Laibungsreste des nördlichen Tores FST 3-5, hinten das südliche Tor FST 3-6; die Schuttschichten haben die innere Raumunterteilung noch nicht ganz freigegeben.

Seit 1995 wird die Untersuchung auf der ersten Beringebene im Südosten und Osten der Oberburg fortgesetzt, wo man bereits im Herbst 1994 Ausschnitte von verschiedenen Gebäuden freigelegt hatte. Im Gegensatz zur Erforschung des Oberburgplateaus geht die Arbeit hier wesentlich langsamer voran, weil die Flächen von 4–8 m hohen, lockeren Schuttmassen überdeckt sind. Die Ausgrabung erfolgt in zwei getrennten Abschnitten, und zwar im Bereich der modernen Treppe zur Oberburg und von dort aus in Richtung Süden sowie weiter nordöstlich im Bereich des Palas.


Die Ergebnisse der Ausgrabung 1995/1996 im Überblick    [↑]

Östlich des Felsmassivs der Oberburg werden die Reste des Palas untersucht. Dort befindet sich ein Raum mit zwei Toren, der an den Fels angebaut ist und nach Süden und Osten von sehr dicken Mauern umgeben ist. Die Bauzeit dieses Gebäudes ist anhand von Bauakten mit großer Wahrscheinlichkeit an das Ende des 16. Jahrhunderts zu datieren. Der Palas überdeckt ältere Mauern, vor denen im 15. Jahrhundert eine Abfallhalde entstanden ist. Eine Untersuchung der Mauern hat ergeben, daß verschiedene ältere Bauteile in den Bau des Palas integriert worden sind. Das Gelände ist im untersuchten Bereich stark nach Norden abfallend, und auch das Raumniveau hatte sich dem Gefälle angepaßt. Durch den Palas führte anscheinend der vom äußeren Tor kommende Zugangsweg zur ersten Beringebene und zur Oberburg. Das noch nicht vollständig freigelegte nördliche Tor war eventuell unterteilt in einen Torbogen für Wagen und eine daneben befindliche mannbreite Türöffnung, wie die innere Raumunterteilung vermuten läßt. Das südliche Tor ist schon älter als der Palas und wurde äußerlich mit neuen Sichtflächen versehen, ebenso die Außenseite der südlichen Abschlußmauer. Von der Pflasterung des Torweges sind in diesem südlichen Tordurchgang noch kleine Flächen erhalten. Der Weg ist auch weiter südlich noch anhand der stellenweise verbliebenen Pflasterung nachweisbar; er führte zwischen Gebäuden und der mit Quadermauerwerk verblendeten Oberburg zum südwestlichen Bereich der ersten Beringebene, wurde aber später durch eine Mauer unterbrochen. Im unmittelbaren südlichen Anschluß des Palas ist das Treppenhaus zur Oberburg gefunden worden, welches über drei schmale, teilweise in den Fels eingeschlagene und teilweise aus Holz gezimmerte Treppenläufe nach oben führte. Auch diese Treppe ist im späten 16. Jahrhundert renoviert worden. Gegenüber von diesem Treppenhaus zweigt ein schmaler Gang vom Hauptweg ab, der nach Osten verläuft und eventuell den Zugang zu Gebäuden oder der nächsttieferen Beringebene ermöglichte.

In der folgenden Ausgrabungskampagne wird man sowohl die Untersuchung dieses südlichen Palasraumes vollenden als auch die Ausgrabung im Süden der ersten Beringebene mit den bereits angeschnittenen Gebäuden fortsetzen.


Freigelegte Bereiche der ersten Beringebene und des Palas von Burg Kirkel    [↑]

Am linken Bildrand befindet sich die Oberburg, deren Felsverkleidung mit Quadern in unterschiedlichem Grad erhalten ist (punktierte und durchgezogene Linien). Der Höhenunterschied zwischen dem Plateau der Oberburg zu Raum FST 3 im Palas beträgt ca. 10 m.


Abb.2 - Übersichtsplan der Fundstellen
a - Raum FST 3 im Palas
b - Tor FST 3-5, eventuell unterteilt in eine Wagendurchfahrt und eine schmale Tür
c - östliche Mauer FST 3-4, zum Rauminneren mit einer breiten Mauervorlage, nach Osten einem älteren Mauerteil vorgelagert
d - südliche Mauer FST 3-1, deren südliche Außeschale fehlt (punktierte Linie)
e - Tor FST 3-6 mit Prellstein und gepflastertem Torweg
f - schmaler Gang FST 17-1, nachträglich am westlichen Ende verschlossen
G - Raum FST 5, dessen nördliche Mauer FST 5-2 nur noch als Spur erhalten; letztere war zum Gang FST 17-1 hin mit einer Verkleidung versehen (punktierte Linie)
h - Treppenhaus FST 18
J - Weg FST 16 auf der ersten Beringebene, Reste einer Pflasterung
k - Gebäude FST 4
l - nachträglich errichtete Mauer FST 6-1, den Weg FST 16 unterbrechend
m - Raumunterteilung im Palas
n - Brüstungsmauer, ältere Bauphase als der Palas
(Skizze: Yves D'Hinnin)

Der Palas    [↑]

Der Arbeitstitel "Palas" bezeichnet ein Gebäude mit wehrhaften Mauern, das sich östlich an die Oberburg anschmiegt. Die Ruine dieses Hauses erkennt man noch auf der Lithografie von Neumann/Dubois "Sch. Kirkel bei Neuhäusel" von ca. 1820, welche die Burg von der Ostseite zeigt. Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um den repräsentativen "Neuen Bau", den Herzog Johann I gegen Ende des 16. Jahrhunderts errichten ließ.
(Anm.: David Ecker, Kirkel- Neuhäusel und seine Burg, 1928, 62)

Seit 1995 wird östlich des Oberburgfelsens der südlichste Raum des Palas untersucht. Die Untersuchung ist zur Zeit noch nicht abgeschlossen. Dieser Raum (FST 3) ist ungefähr rechteckig, in Richtung Nord-Süd ca. 5–6 m lang und in Richtung Ost-West ca. 5,50 m breit.
(Anm.: Mit Fundstelle (FST) werden in der archäologischen Dokumentation z.B. Mauern, Schichten, Räume in Nummern erfaßt.)

Im Süden wird er begrenzt von einer ca. 2,20 m dicken Mauer (FST 3-1), die einen Felsbereich einbezieht. Insgesamt scheint diese Mauer sehr lange bestanden zu haben und viele Male ausgebessert und umgebaut worden zu sein. Sie muß bereits früh zu einem wesentlichen Bestandteil der Anlage gehört haben. Die Nordseite der Mauer besteht aus grob geglätteten Hausteinen. Ihre südliche Schale ist abgerissen. Diese fehlende Mauerschale hat vermutlich aus Quadern bestanden. Man erkennt die Stärke der nicht mehr vorhandenen Schale an einem flachen, ca. 0,60 m breiten Graben, der sich an die südliche Mauerseite anschließt und ca. 5 cm tief in den Felsboden eingeschlagen worden ist. Er diente zur Aufnahme der Quader.
(Anm.: Unter anderem waren auch auf der Oberburg solche flachen Gräben nachweisbar, die zum Setzen der Quader dienten, so z. B. erkennbar im Verlauf der nordwestlichen Schale des Donjon, wo die Buckelquader ausgebrochen sind.)

Ein interessantes Detail bietet hier einen Einblick in die Vorgehensweise der Bauleute: Entlang des Grabenrandes befindet sich ein 1–3 cm schmales schwarzes Band, welches leicht unregelmäßig bis gerade verläuft und aus einzelnen, dicht aneinander anschließenden Streifen von jeweils 3–5 cm Länge besteht. Beim Ausnehmen der Grabenfüllung ließ sich die dunkle Verfärbung nach unten verfolgen. Wie es sich herausstellte, handelt es sich bei den kurzen, aneinander anschließenden Streifen jeweils um vergangene Holzlättchen, die mit ihrem zugespitzten Ende leicht schräg und ca. 10 cm tief entlang der Felskante in den relativ weichen roten Sandstein eingeschlagen worden sind. Man kann vermuten, daß dies vor dem Setzen der Quader geschehen ist und ein Hineingleiten der Quader ohne Beschädigung der Felskante ermöglichen sollte. Wahrscheinlich wollten die Handwerker vermeiden, daß während des Errichtens der Mauer Brocken vom weichen Fels abbrachen, unter die Quader rutschten und dadurch eine ungleichmäßige Höhe der Steinlage bewirkt hätten. Nach dem Setzen der Quader sind diese Hölzer abgebrochen worden.

Abb.3
Abb. 3: Blick aus dem Palas nach Süden auf das Tor FST 3-6. Die Pflasterung und der Prellstein sind im Torweg erkennbar. Am rechten Bildrand der Fels, an dem sich die westliche Torlaibung befunden hat.
Abb.4
Abb. 4: Der Prellstein des südlichen Tores FST 3-6

In dieser Mauer befindet sich eine Toröffnung (FST 3-6), deren östliche Laibung im unteren Bereich noch in Höhe von maximal zwei Steinlagen besteht. Am südlichen Ende ist ein sorgfältig gearbeiteter und verzierter Prellstein erhalten.

Die Reste des eingestürzten Tores lagen im Durchgangsbereich. Von der westlichen Laibung ist außer dem Abdruck des fehlenden Prellsteins im Mörtel, geringen Mörtelresten an der Felswand und einem Mauerstumpf (FST 3-2) nichts erhalten. Aufgrund der Mörtelbeschaffenheit kann man davon ausgehen, daß dieses Tor zu einer früheren Bauphase gehört und anläßlich der Errichtung des Palas renoviert worden ist.

Der Raum des Palas wird nach Westen durch die Felswand der Oberburg begrenzt; dieser Fels wird durch eine Mauer FST 3-3 verkleidet. Sie besteht aus einer Schale sorgfältig behauener Quader mit Setzmarken in Form römischer Zahlen und einer Hinterfüllung aus kleinen Bruchsteinen. Diese Mauer ist im oberen Bereich komplett ausgebrochen. Erhalten sind ihre Quader ab T -8,30 m Tiefe.
(Anm.: Zu Beginn der Ausgrabung wurde im Herbst 1993 der höchste Punkt der Schuttlagen auf der Oberburg am Runden Turm vermarkt. Er befindet sich ca. 1 m oberhalb der Felsoberfläche und wird als Niveau T 0,0 m bezeichnet. Alle Tiefenangaben im Text beziehen sich auf diesen Punkt.)

Im unteren Bereich ist ein grauer bis brauner Mörtel dick und unregelmäßig an die Mauer angeworfen, so daß ein ungleichmäßiger, bis ca. 0,20 m weit vorkragender Wulst von ca. 0,20–0,30 m Höhe entstanden ist. Diese Mauer endet ca. 5 m weiter nördlich an einem zweiten Tor.

Das Tor weist eine lichte Weite von 4,20 m auf, könnte jedoch eventuell nochmals unterteilt gewesen sein. Von diesem Tor (FST 3-5) ist die westliche Laibung in drei Lagen großer, sehr sorgfältig geglätteter Quader erhalten. Beim Abbruch der Ruine hat man versucht, den obersten der heute dort noch vorhandenen Quader herauszuwuchten. Nachdem man ihn ein Stück gedreht hat, hat man den schweren Stein jedoch vor Ort belassen. Im zweiten Quader von oben befindet sich raumseitig eine Eintiefung eventuell zur Aufnahme eines Balkenriegels. Ein auf diesem Quader angebrachtes Steinmetzzeichen - übrigens das erste, das im Laufe der Grabung entdeckt worden ist - zeigt starke Parallelen zu einem Zeichen, welches sich auf einem, von der Lemburg stammenden Steinfragment befindet. Die Nordostecke der Laibungsquader weist einen Falz von ca. 0,16–0,18 m auf. Im Sockelquader unterhalb des Falzes ist eine in Richtung West-Ost verlaufende Nut eingetieft, welche aber nachträglich beschädigt ist. Nach Norden sind die Sockelquader abgeschrägt. Von der gegenüberliegenden Torlaibung hat sich nur die unterste Quaderlage mit der identischen Schmiege zur Nordseite und der ebenfalls beschädigten Nut gefunden.

Den östlichen Raumabschluß bildet Mauer FST 3-4 mit einer Schale aus Quadern, die denjenigen der Felsverkleidung (FST 3-3) entsprechen. Sie hat im aktuellen Zustand der Freilegung eine gestaffelte erhaltene Höhe von über 3 m, ohne daß bislang ihre Unterkante erreicht worden ist . Auch diese Mauer ist mehrphasig, wie sich an ihrer freigelegten Abbruchfläche erkennen läßt: Östlich befindet sich das ca. 0,55 m starke Mauerwerk FST 3-11 mit einer weiß gefaßten Putzkante an der Westseite; ab dort ist die Mauer um ca. 1,70 in Richtung Westen verbreitert worden (FST 3-4) und findet ihren Abschluß in der erwähnten Quaderschale, so daß die Gesamtstärke dieser Mauer ca. 2,25 m beträgt. Vermutlich setzt sie im Süden stumpf an die Palasmauer FST 3-1 an. Etwa auf halber Länge ihres Verlaufes weist sie eine schräge Nische auf; der fehlende Sohlquader fiel zum Raum hin schräg ab. Man könnte dies als den Rest eines Lichtschachtes deuten.

Ab einer Tiefe von T -10,10 m ist die Mauer FST 3-4 um eine ganze Quaderbreite stärker als oben. Diese Quader entsprechen denjenigen des oberen Mauerbereiches vollkommen und schließen bündig mit dem geschmiegten Torsockel ab. Die Mauer FST 3-4 erweckt den Eindruck, als habe auf dieser breiten Mauervorlage eine Balkendecke aufgelegen. Ab dieser Tiefe wird der Raum des Palas durch weitere Mauerzüge weiter unterteilt, und zwar zunächst durch eine Ost-West verlaufende, stark ausgebrochene Mauer FST 3-8, welche den tieferen nördlichen Raumbereich gegen den höher ansteigenden südlichen Bereich hin abstellt, indem sie dort vor Erdmassen gesetzt worden ist, auf die später noch genau einzugehen ist. Wie weit diese Mauer nach Westen verläuft, ist noch nicht abzusehen. An sie schließt eine ca. 1,10 m breite Mauer FST 3-12 wiederum in Richtung Norden an. Beide Mauern sind in einem Zuge mit den vorangehend beschriebenen und aus dem gleichen Material wie errichtet worden. Durch diese Einbauten wird vor der östlichen Mauer FST 3-4 ein schmaler Gang abgegrenzt. In welcher Tiefe der natürliche Felsuntergrund erreicht werden wird, läßt sich zur Zeit noch nicht absehen.

Soweit zu den Baubefunden, welche den untersuchten Raum begrenzen.

Abb.5
Abb. 5: FST 3 im Palas wird durch weitere Mauern unterteilt. Die östliche Mauer FST 3-4 hat eine breite Mauervorlage. Das dunkle Mauerwerk FST 3-9 in der Bildmitte war zur Zeit der Errichtung des Palas bereits vollständig durch Erde überdeckt.

Das Rauminnere    [↑]

Das Rauminnere war mit Schutt gefüllt, der noch nicht vollständig abgetragen worden ist. Diese Schuttmassen bestehen aus Sand, Mörtelbröckchen und überwiegend kleinen bis kopfgroßen und selten größeren Sandsteinen und stammen zum größten Teil von den ehemaligen Mauerfüllungen. Vergegenwärtigt man sich dieses Schuttvolumen, so gewinnt man einen Eindruck der immensen Baumassen, die hier früher bestanden haben und ihrer Mauerschalen beraubt worden und zerfallen sind.

Bis jetzt ist der Raumboden erst auf einer ganz geringen Fläche freigelegt. Er ist im Tordurchgang (FST 3-6) mit einer teilweise ausgebrochenen Pflasterung belegt. Im südlichen Bereich des Raumes wurde eine dunkle, stark mit Holzkohle durchsetzte Schicht erfaßt, die wahrscheinlich kurz vor dem Ende des 16. Jahrhunderts die Oberfläche bildete. Das Niveau dieser Fläche senkt sich vom südlichen Tor nach Norden.

Abb.6
Abb. 6: In der südöstlichen Ecke des Palas befinden sich die Brüstungsmauer FST 3-9 und Mauer FST 3-10 (links), die durch Müllablagerungen überdeckt worden sind. Das Profil rechts im Bild zeigt diese Abfallschichten.

Ältere Bauwerke und Schichten unter dem Palas    [↑]

Beim Abbau dieser Erdmasse im südöstlichen Raumbereich sind weitere Mauern zum Vorschein gekommen, deren nun freigelegte Teile bereits verschüttet gewesen sind, als man den Palas im späten sechzehnten Jahrhundert gebaut hat. Unter bzw. nördlich vor der südlichen Palasmauer FST 3-1 verläuft eine schräge Brüstungsmauer FST 3-9 in Richtung Ost-West, deren Steinlagen durch den Druck darüberliegender Mauermassen verschoben sind, so daß die Mauerfront ein schuppiges Aussehen erhalten hat. Die Quader haben eine schräge Vorderseite, sind relativ klein und nach ihrer Rückseite hin spitz zulaufend. Im Osten, unter der östlichen Palasmauer FST 3-4, ist eine weitere Mauer FST 3-10 nach Norden angefügt, deren Steine ebenfalls vergleichsweise klein und flach sind. Eine Abbruchfläche dieser Mauer ist nicht sichtbar, weil sich darauf der Fundamentbereich der Palasmauer befindet. Die Sichtflächen beider Mauern sind nur grob zugearbeitet. Wie Zusammensetzung und Gefälle der untersuchten Schichten vor diesen Mauern zeigen, ist seit der Mitte des 15. Jahrhunderts vor der Brüstungsmauer Abfall ausgeschüttet worden. Nur die untersten Schichten enthalten größere Werksteine, während in allen darüberliegenden Schichten kleine Bruchsteine, Fragmente von Biberschwanzziegeln, Schieferplatten sowie Flußkiesel vorkommen. Zwischen den Biberschwanzziegeln befinden sich neben den üblichen mit gerundetem Abschluß auch sogenannte Gotenschnitten mit spitz zulaufendem Abschluß, wie sie seit dem 14. Jahrhundert verwendet worden sind. (Anm.: Burghard Lohrum in: Stadtluft, Hirsebrei, Bettelmönch - Die Stadt um 1300, Stuttgart 1992, 274.) Die Schichten sind mittelbraun, grau bis schwarz und unterschiedlich fest; sie enthalten viel Holzkohle und größere Mengen von grauer Asche in relativ deutlich abgegrenzten Konzentrationen, die anscheinend aus Herdstellen oder Öfen stammt und offensichtlich mittels eines Eimers auf die Abfalldeponie entleert worden ist. Zahlreiche Knochen von Mahlzeiten sind hier gelandet, ebenso zerbrochene Tongefäße und gläserne Weinbecher. Wahrscheinlich sind auch Fäkalien an dieser Stelle entsorgt worden.

Abb.7
Abb. 7: Die Brüstungsmauer FST 3-9 (rechts) ist durch starken Druck verschoben worden, und ihre Quader stehen schuppig hervor. Ab der dritten Steinlage sind Ausbesserungen an ihr und der Mauer FST 3-10 vorgenommen worden.

Nachdem die Ablagerungen eine Mächtigkeit von ungefähr 0,50–0,60 m im Winkel vor den beiden Mauern FST 3-9 und FST 3-10 erreicht hatten, sind die Mauern beschädigt worden. Insbesondere die Brüstungsmauer FST 3-9, die vor diesem Zeitpunkt bereits die Verschiebung in ihrem Gefüge erfahren haben muß, weist an ihren schuppig hervorstehenden Quadern abgeschlagene Ecken auf, die man möglicherweise auf einen Beschuß der Mauern zurückführen kann. Diese Schadstellen sind mit kleinen Steinen und Stücken von Biberschwanzziegeln ausgezwickt worden. Anschließend hat man beide Mauern neu verfugt und dabei diese Reparaturstellen mit Mörtel ausgestrichen. Danach folgten noch weitere Müllablagerungen.

Es drängt sich natürlich die Frage auf, wann dies alles geschehen ist. Auskunft hierzu erhält man über die in den Schichten enthaltenen Funde, sofern deren Alter geschätzt werden kann. Die Müllablagerung vor den Mauern hatte ihren Anfang vermutlich in der Mitte des 15. Jahrhunderts, wie man aufgrund der datierbaren Funde von zerbrochenen gläsernen Weinbechern in den untersten Schichten schließen kann. Demnach müßten die Schäden nach dieser Zeit eingetreten sein. Nach der Ausbesserung hat man weiterhin Abfälle deponiert, bis die Mauern überdeckt waren. Da die Funde in diesen folgenden Schichten auch noch in das ausgehende 15. Jahrhundert datiert werden können, kann man den Zeitpunkt des Geschehens wahrscheinlich auf die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts eingrenzen. Unbekannt bleibt bislang jedoch das Alter der Brüstungsmauer FST 3-9 und der angefügten Mauer FST 3-10.

Der nördliche Bereich des Palas

Nördlich von Tor FST 3-5 sind die Schuttmassen noch nicht soweit abgetragen, daß man bereits Mauern erkennen könnte. Es scheint, daß der Felsuntergrund in diesem Bereich nach Norden weiter abfallend ist. Im Schutt befinden sich große Buckelquader, die vom Donjon und vom Eckigen Turm der Oberburg gestürzt sind.

Treppenhaus und umgebende Bereiche südlich des Palas    [↑]

Südlich des Palas grenzt die bereits 1994 untersuchte Fläche an. Hier wurde der Bereich zwischen den damals freigelegten FST 5, 6, 17 ff. und dem Felsmassiv der Oberburg ergraben. Der kleine, bereits im Herbst 94 freigelegte Teil war zur Oberburg hin stellenweise von 4,50 m hohen, lockeren Profilen umgeben, die als solche nicht ohne Einsturzgefahr stehengelassen werden konnten. Darüber hinweg führte die moderne Sandsteintreppe zur Oberburg. Zunächst wurde diese Treppe mitsamt ihrer Stahlbetonarmierung entfernt. Leider mußten auch zwei größere Bäume weichen, die zwischen dieser Treppe und der Kante des Oberburgplateaus gewachsen waren. Nach ihrer Fällung wurden die Schuttmassen in diesem Bereich horizontal abgetragen und durchsiebt. Erfreulicherweise zeigte sich, daß eine dunkle, graubraune Schicht unter der modernen Treppe aus dem Schacht stammte: In dieser Erde fanden sich anpassende Scherben zu den Gefäßen, die bereits im vorigen Jahr aus den Scherbenfunden des Schachtes auf der Oberburg zusammengesetzt worden waren und allgemein große Beachtung fanden. Somit war ein weiterer Beweis erbracht, daß der Schacht erst zu einem Zeitpunkt aufgegraben worden war, als der Rest der Burg bereits in Schutt und Asche gelegen hatte.

Abb.8
Abb. 8: Das Treppenhaus während der Freilegung. Man steigt von links nach rechts, ab einem Podest weiter von rechts nach links. Von dort führte der dritte Lauf aus Holz wieder nach rechts und endet oben auf dem Felsen.

Diese Ausgräber hatten anscheinend nur nach größeren Schätzen oder ominösen Geheimgängen geforscht, denn die "kleinen Schätze" hatten sie unbeachtet hinausgeworfen: Scherben von im Saarland einmaligen Gefäßen, kleine Silbermünzen und viele andere interessante Objekte aus Mittelalter und früher Neuzeit.
(Anm.: Eine Auswertung der Grabungsbefunde im Schacht und der dortigen Funde ist in Arbeit.)

Unter dieser Schicht folgte fundarmer heller Schutt, der Lage um Lage abgetragen wurde und allmählich die Umrisse des umgebenden Felsmassivs freigab. Hier wurde der ehemalige Aufgang zur Oberburg gefunden: In den Fels gehauene stufenartige Absätze, aber ohne die ursprünglich aufliegenden Stufen, zeugen von einem ummauerten Treppenhaus (FST 18) mit Zugang im Osten - die Schwelle fehlt - und einer dreiläufigen Treppe: zunächst eine Treppe mit Antritt im Süden, endend an einem Felspodest, an das sich nach Osten der Mauerstumpf FST 32 anfügt, dort der nächste Treppenlauf von Norden nach Süden, ebenfalls in den Fels gehauen, dessen Wand dort senkrecht abgeschrotet ist, endend in einem Podest aus Holz; Spuren verkohlter Balken waren an einem entsprechenden Absatz der Felswand erkennbar. Schließlich begann dort ein dritter Treppenlauf von Süden nach Norden, der aus Holz gezimmert gewesen sein muß. Er erreichte im Norden das Felsmassiv, wo seine obersten drei bis vier Stufen wieder in den Fels gehauen sind. Der Eingang zur Oberburg hat sich wahrscheinlich dort befunden, wo die letzten und obersten Stufen zum Plateau hinwenden. Wo der Palas seinen Zugang zu den oberen Etagen hatte, ist nicht ersichtlich. Betrachtet man den verwendeten Mörtel, so erhält man folgende Anhaltspunkte zum Zeitpunkt der Errichtung des Treppenhauses: Die entnommenen Trittstufen waren in den Mörtel eingebettet, der zum Bau des Palas verwendet worden war. Daß dies jedoch bereits eine Renovierung darstellte, zeigte sich nach dem Winter 1995/96, als durch Frosteinwirkung dieser obere Mörtel großenteils aufgefroren war und darunter der ältere gelbliche Mörtel zum Vorschein kam, der in der südlichen Palasmauer FST 3-1 und den älteren Bereichen des darin befindlichen Tores FST 3-6 lokalisiert worden ist. Demnach ist im Zuge der Errichtung des Palas die ältere Treppe lediglich erneuert worden.

Sämtliche Felswände im Bereich des Palas, des Treppenhauses und südlich davon waren auch mit Quadern verblendet, die jedoch fast überall später abgerissen worden sind. Eine derartige Felsverkleidung wird durch ihre Hinterfütterung und Reste von Mörtel belegt.

Die Ausdehnung der Grabungsfläche auf der ersten Beringebene läßt nun die Zusammenhänge der hier zuvor bereits freigelegten Flächen in einem helleren Licht erscheinen.

Unmittelbar südlich des Palas verläuft ein schmaler, um 0,50 m abgetiefter Gang (FST 17) in Richtung Ost-West. Begrenzt wird er nach Süden zur Fläche FST 5 durch einen Absatz im Fels, auf dessen Oberkante sich die Mörtelspur einer abgetragenen Mauer (FST 5-2) erkennen ließ. Als der Palas gebaut wurde, hat man anscheinend diese Mauer auf ihrer Nordseite mit einer neuen Schale versehen. Dieser ursprünglich ca. 1,20 m breite Gang ist vermutlich nach der Zerstörung der Burg auf der Höhe des Tores zum Palas durch große Steine geschlossen worden. Unter diesen wiederverwendeten Steinen sind wahrscheinlich beidseitig die Abdrücke von Laibungssteinen einer Tür erhalten. Wohin man gelangt, wenn man diesen Gang nach Osten verfolgt, kann erst eine Fortsetzung der Grabung in diese Richtung klären. Vermutlich konnte man von ihm aus weitere Gebäude und betreten. Sein Bodenbelag war nicht mehr erhalten. Stattdessen bedeckte eine dunkle, stark mit Holzkohle durchsetzte Schicht in wenigen Zentimetern Mächtigkeit den Felsuntergrund.

Wenn man vom Palas durch das südliche Tor FST 3-6 genau entlang der inneren Torkante des östlichen Laibung schaut, erkennt man, daß das weiter südlich gelegene Gebäude FST 4 mit seiner Nordwestecke ungefähr in dieser Flucht errichtet ist. Die stumpf eingesetzte Mauer FST 6-1 unterbricht dort einen früheren Weg. Im Westen endet sie an der nicht mehr vorhandenen Verkleidung der Felswand; durch das Ende der Mauer FST 6-1 kann man die ursprüngliche Stärke der Felsverkleidung noch erkennen. Nahe dem östlichen Ende weist Mauer FST 6-1 noch eine Besonderheit auf: Auf der Oberfläche ihrer Abbruchkante ist eine Art Rinne ausgemörtelt, die trichterförmig erweiternd und mit leichtem Gefälle nach Nordosten verläuft und eine Öffnung in der dortigen Wand bildet. Im Mörtel auf der Rinnensohle ist der Abdruck eines Biberschwanzziegels zu erkennen. Möglicherweise ist diese Rinne ein Wasserablauf gewesen oder aber eine Einlaßstelle für einen Balken. Im Mauerinneren schließt sich etwas an, das wie der Teil eines engen gemörtelten Fallschachtes aussieht. Dieser Befund ist nicht zu deuten, da das aufgehende Mauerwerk nicht erhalten ist.

Die Mauer FST 6-1 unterbricht einen Weg, dessen Pflasterung im südlichen Bereich der Mauer noch in geringen Resten erhalten ist. Ein Wechsel im Verlegemuster seiner Pflasterung aus schmalen Eisengallesteinen deutet an einer Stelle an, daß dieser Weg vermutlich um die Oberburg herum in Richtung Westen abbiegt, und auch an die Mauer FST 4-3 des Gebäudes FST 4 scheint sich in westlicher Richtung eine weitere Mauer anzuschließen. Dort stehen zur Zeit noch Schuttschichten an.

Abb.9
Abb. 9: Blick vom Treppenhaus auf die Pflasterung im südlichen Tor FST 3-6 und die angrenzende Lage aus Werksteinen. Auf den annähernd quadratischen Sandsteinen befinden sich Radspuren.

Während sich die Pflasterung eines Weges auf der ersten Beringebene im Südtor FST 3-6 des Palas und 9 m weiter südlich nachweisen läßt, ist die Fläche FST 6 im unmittelbaren südlichen Anschluß an das Tor FST 3-6 vor dem Treppenhaus zur Oberburg von großen Werksteinen bedeckt, die anscheinend aus einer Abbruchmasse nach der Aufgabe der Burg stammen. Diese Steine sind in ungleichmäßig dicken, nicht mehr bindenden Mörtel eingebettet, welcher zu der Mauer FST 6-1 leicht ansteigt. Dem Befund nach sind der Mörtel und die Lage von Werksteinen jünger als diese Mauer. Diese Steine waren bündig mit fester brauner Erde überdeckt. Funde datieren diese Schicht frühestens in das 18. Jahrhundert. Vor dem Tor FST 3-6 zum Palas wird die Werksteinlage durch eine Reihe von annähernd quadratischen Sandsteinen abgeschlossen, in denen Schleifspuren von ca. 1,28 m Abstand vom häufigen Befahren durch Wagen mit eisernen Radreifen zeugen. Merkwürdig ist zunächst, daß diese Steinreihe mit den Radspuren allem Anschein nach nicht zum Tor FST 3-6 und dessen gepflastertem Durchgang gehört, sondern in das erwähnte jüngere Mörtelbett der Werksteine eingelegt und somit nicht nur jünger als das Palastor FST 3-6, sondern auch jünger als die den Weg unterbrechende Mauer FST 6-1 ist. Wie sollten Wagen durch den Palas auf die enge Fläche vor dem Treppenhaus zur Oberburg gelangen, wenn dort weder eine Möglichkeit zur Weiterfahrt noch zum Wenden bestanden hat? Erklärung bietet die Auswertung der Zeichnungen von Schichtprofilen und Flächen im Schutt, der allenthalben während des Abbruchs der Ruine angefallen ist. Was auf den ersten Blick zusammenhanglos und nebensächlich scheint, bekommt durch das Zusammenbringen der vielen Details Strukturen. Es befinden sich darin nämlich nicht nur die Ausbruchgräben der Mauern, sondern auch Anhaltspunkte für die Wegverläufe während der Abbrucharbeiten. Wahrscheinlich läßt sich ein solcher Weg im Schutt an mehreren Stellen über eine Strecke von ungefähr 14 m verfolgen, beginnend 3 m nördlich des inneren Palastores FST 3-5 in einer Tiefe von ca. T -9,40 in Form einer leicht geschotterten schmalen Fläche, teilweise bedeckt mit dunkler Erde, vorbeiführend am verdrehten Laibungsstein dieses Tores durch das damals noch bestehende südliche Tor des Palas FST 3-6. Dort hinterließen die Wagen ihre Spuren (Tiefe T -8,25 m) auf den Steinen. Der Weg führte weiter nach Süden, stieg auf ein Niveau von T -6,40 m an und muß vermutlich nach über die Abbruchkante der Mauer FST 6-1 hinweg verlaufen sein.

Von dieser offenliegenden Oberfläche im Schutt des Palas kann man wieder den Bogen zum Schacht auf der Oberburg schlagen: Wie erwähnt, war diese Wegefläche teilweise mit dunkler Erde bedeckt. Sie enthielt Scherben, welche ebenso wie diejenigen oberhalb des Treppenhauses aus dem Schacht herausgeworfen worden sind. Danach ist dieser Weg noch durch mehrere Meter hohe Schuttmassen überlagert worden.


Die archäologischen Funde    [↑]

Nachdem die Grabungsbefunde vorgestellt wurden, die neue Erkenntnisse über die Gebäudesituation auf der Burg liefern, wendet sich das Interesse nun dem "Innendienst" des archäologischen Teams zu, welcher neben der Auswertung der Grabungsbefunde schwerpunktmäßig in der Aufbereitung, Archivierung und Auswertung der Fundobjekte besteht.

Den größten Teil der Funde machen Keramikscherben aus, an zweiter Stelle folgen Knochen - überwiegend von Küchenabfällen, danach kommen Nägel und Glas vom Gebäude und schließlich die sog. Kleinfunde, welche kleine Gerätschaften, Spielzeug, Trachtbestandteile und Beschläge aus Metall, Knochen, Horn, Elfenbein usw. sowie Münzfunde umfassen.

Abb.10
Abb. 10: Keramik aus der Mülldeponie des fünfzehnten Jahrhunderts: kleiner Krug und hoher Topf aus ockerfarbener Irdenware mit brauner bzw. grüner Bleiglasur auf der Innenseite und ein großes Topffragment aus grauer Irdenware.

Keramik - Vom Scherbenfund zum Gefäß

Der Betrachter archäologischer Funde sieht in Museen, Ausstellungen und in der Literatur vollständige, ergänzend restaurierte oder zumindest überwiegend zusammengesetzte Gefäße. Wer noch nicht den Alltag einer archäologischen Ausgrabung verfolgt hat, macht sich selten ein Bild vom Weg, den ein bruchstückhafter Bodenfund bis zu seiner Präsentation in der Öffentlichkeit zurücklegt. An dieser Stelle sei daher das Verfahren der Aufbereitung der Funde am Beispiel der Ausgrabung in Kirkel beschrieben.

1. Auf der Ausgrabungsfläche werden Schichten in genau abgemessenen Flächen abgetragen. Die Erdmasse wird dabei mit dem Metalldetektor untersucht und teilweise auch gesiebt, so daß auch kleinste Fragmente nicht übersehen werden. Fundstücke von besonderer Wichtigkeit, z.B. Münzen, werden dabei in ihrer exakten Lage dreidimensional eingemessen und registriert. Alle anderen Fundobjekte wandern in einen Sammelkorb und erhalten einen sog. Laufzettel, auf dem unter einer Registriernummer sämtliche Daten der Schicht vermerkt sind, aus der die Funde stammen.

2. Diese Fundkollektionen werden während des Winters vorsortiert nach den Bestandteilen Keramik, Knochen, Glas und Metall. Knochen und Nägel werden getrocknet und mit Laufzettelnummern verpackt, ebenso Glasreste, die zu zerbrechlich zum Waschen sind. Auch sämtliche Fundobjekte, die von besonderem wissenschaftlichem Interesse sein könnten, werden aus den Kollektionen ausgesondert. An dieser Stelle sollen solche Funde jedoch außer acht gelassen werden. Stattdessen betrachten wir die Keramikfunde, welche sich zunächst als ein Komplex darstellen, den man am besten mit einem Puzzle vergleichen kann: Hier besteht die Schwierigkeit erstens darin, daß Zehntausende von Scherben zu einer unbekannten Anzahl von verschiedenen Gefäßen gehören; zweitens sind die Scherben der einzelnen Gefäße nur in den seltensten Fällen komplett vorhanden.

Bevor das Puzzlespiel beginnen kann, müssen die Fundstücke aufbereitet werden. Zuerst wandern die Keramikscherben kollektionsweise in Waschschüsseln, wo sie eingeweicht und behutsam mit Bürsten gereinigt werden. Danach werden sie zum Trocknen ausgelegt. Anschließend erhält jede einzelne Scherbe auf ihrer Innenseite mit Tusche eine kleine Beschriftung, welche Informationen zu Fundort, Fundjahr, Inventarnummer des Staatlichen Konservatoramtes und die erwähnte Laufzettelnummer der Grabung beinhaltet. Im Falle der Ausgrabung auf der Burg Kirkel lautet diese Beschriftung z.B. "KI 1995:019-586", was bedeutet: Fundort Kirkel, Fundjahr 1995, Inventarnummer des Staatlichen Konservatoramtes 019 (19. gemeldete Fundstelle des Jahres), Laufzettelnummer 586. Unter der Nr. 586 z.B. kann man in der Grabungsdokumentation feststellen, in welchem Zusammenhang und an welcher Stelle die Funde gemacht worden sind, und was eventuell zu dieser Fundkollektion gehört.

Abb.11
Abb. 11: Graue Irdenware während der Sortierung. Die Scherben sind zum Teil bereits gefäßweise gruppiert. Vorne links "entsteht" ein Tüllentopf, dessen Rand mit Ausgußtülle bereits geklebt ist. Man erkennt die weiße Beschriftung der Scherben.

3. Sind die Scherben einmal beschriftet und somit identifizierbar, so beginnt die Puzzle-Arbeit. Zunächst werden sie ausgelegt und sortiert. Man trennt verschiedene Gattungen, wie z.B. Graue Irdenware, Rote Irdenware, glasierte Irdenware, Steinzeug. Innerhalb der Gattungen ordnet man nach Gefäßtypen, z.B. Töpfen, Krügen, Schüsseln, Ofenkacheln usw. Hier wiederum wird getrennt nach Rändern, Henkeln, Ausgüssen, Wandungs- oder Bodenscherben. Nachdem die Vorsortierung abgeschlossen ist, beginnt die Suche nach Anpassungen und Ähnlichkeiten. Anpassende Scherben werden zusammengeklebt, nicht anpassende Scherben desselben Gefäßes werden dazugelegt. Hierzu ist ein geschultes Auge notwendig, welches Farbe, Magerung, Bearbeitungsweise und Form der Fragmente erfaßt, sowie ein sehr gutes bildliches Gedächtnis, um zu wissen, wo man eventuell zugehörige Teile bereits gesichtet hat. Diese Arbeit erfordert große Konzentration und nimmt viel Zeit in Anspruch.

Abb.12
Abb. 12: Graue Irdenware des 11.-15. Jahrhunderts, von links nach rechts: Flasche, Krugoberteil mit Rollrädchendekor, Tüllentopf, ovaler Bratentopf, Kugeltopf.

Die Gefäße wachsen nach und nach wieder zusammen. Erst wenn man sicher ausschließen kann, daß es noch weitere anpassende Scherben geben könnte, und nur wenn es notwendig erscheint (z.B. für Ausstellungszwecke), werden die fehlenden Teile durch Gips ergänzt und eingefärbt. Diese restauratorische Arbeit ist ein ganz wesentlicher Bestandteil für die nachfolgende wissenschaftliche Auswertung und für die Öffentlichkeitsarbeit in Form von Ausstellungen. Da letztere zur Genüge bekannt sind, sei im Folgenden die weitergehende Forschungsarbeit vorgestellt.

Abb.13
Abb. 13: Neuzeitliche Rote Irdenware, 17.-19. Jahrh.: Krüge und malhorndekorierte Schalen, davon eine mit der Aufschrift: "Du lieber Engel".

4. Zuerst kommt die bildliche Dokumentation: Die technische Zeichnung erlaubt die Rekonstruktion von unvollständigen Gefäßen auf dem Papier, enthält Bemaßung, Schnittansicht und die Darstellung von Besonderheiten, z.B. von Verzierungen. Daneben werden Fotografien von Objekten angefertigt, welche die Farbe und einen Gesamteindruck der Gefäße wiedergeben sollen. Schriftlich werden alle Merkmale bezüglich Material, Magerung, Herstellungstechnik, Farbe und Erhaltungsgrad vermerkt.

Abb.14
Abb. 14: Gesichter aus vielen Jahrhunderten. Von links nach rechts: frühes malhorndekoriertes Gefäß, Porzellantasse mit Unterschrift "Deutscher Kaiser", hinten ein Stück Wandverputz mit dem Teil eines aufgemalten Auges, vorne das als Männerkopf ausgeformte Oberteil eines Kruges aus Steinzeug.

5. Dann wird aus dem Gesamtkomplex eine Gefäßtypologie dieses Fundortes erarbeitet, in welcher die Gefäße nach Material, Brenntechnik, Funktion und Formgebung geordnet werden. Der Vergleich mit ähnlichen Gefäßen in Museen und Fachpublikationen gibt Ansätze zur zeitlichen Einordnung der Gefäßtypen. Sämtliche Gefäße werden aufgelistet, dazu kommen alle aussagefähigen Scherben, insbesondere Randscherben. In dieser Datenbank werden dazu auch die Fundzusammenhänge erfaßt. Dadurch kann man untersuchen, welche Gefäßtypen in welchen Schichten und Räumlichkeiten vorkommen. Diese Fundkonzentrationen werden kartiert. Sie geben Aufschluß über die Funktion verschiedener Gebäudeteile, über eventuellen Nutzungswandel und liefern Anhaltspunkte zur Datierung von Bau- und Zerstörungsphasen.

Doch nicht nur für die Burg selbst ist diese Arbeit wichtig, sondern darüberhinaus bildet sie die Grundlage für übergreifende Vergleiche: Derart kann man untersuchen, wie die Töpferwaren unserer Region sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt haben, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Fundkollektionen in der näheren Umgebung bestehen, und wie sich diese Gefäßtypen großräumig verhalten. Die Keramik von Burg Kirkel zeigt bereits im Vergleich zu mittelalterlichen Lesefunden aus Kirkel "Im Talgarten" ganz interessante Aspekte auf, indem dort viele Gefäßtypen einer spätmittelalterlichen Phase zu finden sind, welche im bisherigen Fundmaterial der Burg erst spärlich vertreten sind. Die Ursache dafür zu ergründen, könnte neue Aufschlüsse über das Zusammenwirken von Burg und Dorf in dieser Zeit erbringen. Das Material vom Kloster Wörschweiler, Kloster Gräfinthal und der Hohenburg kann Vergleiche mit Keramik der sozialen Oberschicht ermöglichen; Scherbenfunde aus weiteren Wüstungen des Bliesgaues zeigen dagegen, was im einfachen Haushalt verwendet wurde. Letztendlich kann man auf diese Weise eine mittelalterliche Gefäßtypologie zunächst des Saarpfalz-Kreises und dann des saarländisch-lothringischen Raumes erarbeiten und sie mit denjenigen der angrenzenden Regionen verbinden.

Abb.15
Abb. 15: Noch ein Gesicht: Kachelfragment mit bekröntem Männerkopf.


Zusammenfassung    [↑]

Die Ausgrabungen auf der ersten Beringebene haben bislang eine Fülle von neuen Erkenntnissen über die Architektur der Burg erbracht. Der Erhaltungszustand der Mauern ist unter meterhohen Schuttmassen erstaunlich gut, wie bislang freigelegte Mauern von über 3 m Höhe beweisen.

Es sind unter den Schuttmassen wesentlich mehr Gebäudeteile erhalten, als man bisher vermutet hat. Daß der Burgkegel wahrscheinlich eine sehr lange Besiedlungsdauer aufweist, zeigen die Funde mehrerer römischer Ziegelfragmente und einzelner römischer Scherben, die gelegentlich im Schutt auftauchen und sicherlich als Zeugnisse einer frühen Besiedlung des Burgberges angesehen werden dürfen.

Einen wesentlichen Anteil an der Erforschung der materiellen Kultur des Mittelalters unserer Region stellt das inzwischen umfangreiche archäologische Fundinventar dar, das zum Teil vor Ort restauriert und wissenschaftlich ausgewertet wird.

Die Fortsetzung der Ausgrabung erscheint mir unter Berücksichtigung der bisher erbrachten Ergebnisse sinnvoll: Die Freilegung und Restaurierung der Ruine gestalten diese zum attraktiven Anlaufpunkt für Touristen, und gleichzeitig macht hier die noch junge Wissenschaft der Mittelalterarchäologie im Saarland große Schritte voran.

HOCH